Wir verwenden Cookies für dein individuelles Surf-Erlebnis, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren. Außerdem geben wir Informationen zu Ihrer Verwendung unserer Website an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben. (inkl. US-Anbietern)
Für Datenschutz verantwortlich
Alexander Lernet-Holenia

Kurzbiografie

Portrait_Jung

Alexander Lernet-Holenia (1897–1976)

Am 21. Oktober 1897 wird Alexander Maria Norbert Lernet in Wien geboren. Die Mutter, verwitwete Sidonie Freifrau von Boyneburgk-Stettfeld, aus der Kärntner Gewerken-Familie Holenia stammend, lässt sich kurz nach Alexanders Geburt von dem Marineoffizier Alexander Lernet scheiden. Der Sohn wächst in Klagenfurt, St. Wolfgang und Wien auf und macht 1915 seine Matura in Waidhofen an der Ybbs. Im selben Jahr meldet er sich als Einjährig-Freiwilliger zur Kavallerie, dem Dragoner-Regiment Nr. 9, und nimmt von 1916 bis 1918 im Osten am Ersten Weltkrieg teil. Nach seiner Rückkehr zieht er nach Klagenfurt, beteiligt sich am Kärntner Abwehrkampf und wird 1920 von der Familie seiner Mutter adoptiert, wodurch er zu seinem Doppelnamen Lernet-Holenia kommt.

1921 erscheint Lernets erster Gedichtband Pastorale in einem bibliophilen Kleinverlag in Wien. Gefördert von Hugo von Hofmannsthal und Hermann Bahr, publiziert der Autor auf Empfehlung Rainer Maria Rilkes 1923 seinen zweiten Gedichtband Kanzonnair im Leipziger Insel-Verlag.

lernet 1

Berühmt wird er jedoch erst als Theaterdichter; 1926 erhält er für zwei Komödien, Ollapotrida und Österreichische Komödie, den renommierten Kleist-Preis, den er vier Jahre später wegen einer Plagiatsaffäre um ein anderes Stück (Attraktion, gemeinsam mit Paul Frank) wieder zurückgibt. Schon hier artikuliert er sein spezifisches Selbstverständnis als Autor, das mit dem in der Goethezeit etablierten emphatischen Bild vom künstlerischen Originalgenie bricht:

„Ich schreibe meine Stücke wirklich nur der Tantiemen halber, und alle jene, die ihre Stücke auch nur der Tantiemen halber schreiben, sollten sich schämen, daß sie’s nicht ebenfalls eingestehen.
An wirklicher Dichtung gemessen, sind ,unsere’ Stücke ohnedem nur Quark. Das Publikum hat ein Recht darauf, das von Fachleuten gesagt zu bekommen, denn das Publikum selber bemerkt es zu selten.“ (Das gestohlene Krokodil. In: Die Literatur 32 (1929/30), S. 679 f., hier S. 680)

Seit 1926 wohnt Lernet-Holenia in einer Villa seiner Mutter am Wolfgangsee. Hier verkehrt er mit den Autorenkollegen Leo Perutz und Stefan Zweig sowie – nach deren Emigration aus Deutschland 1933 – mit Ödön von Horváth und Carl Zuckmayer sowie den Schauspielern Werner Krauss und Emil Jannings. Mit Zweig, der ihn Richard Strauss vergeblich als Librettisten empfiehlt, verfasst er eine weitere Komödie (Qui pro quo, 1928), und Perutz liefert ihm den Stoff für seinen fünften Roman Jo und der Herr zu Pferde. 1930 war Lernet-Holenias erster Roman erschienen, und zwar bei S. Fischer, der bis 1945 sein wichtigster Hausverlag bleibt und dessen Bühnenabteilung auch schon die Theaterstücke betreut hat. In schneller Folge publiziert er bis 1938 vierzehn Erzählbände und Romane, von denen drei verfilmt werden: Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen, Ich war Jack Mortimer und Die Standarte. Von Beginn an dominiert die militärische Thematik: Vor allem der Erste Weltkrieg als Schauplatz wie auch österreichische Offiziere als Protagonisten kehren im Werk bis nach 1945 regelmäßig wieder. Beispielhaft sind dafür die beiden frühen Texte Die Standarte (1934) und Der Baron Bagge (1936).

Kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland unternimmt der inzwischen sehr erfolgreiche Autor mit seiner damaligen Geliebten, der aus der Verlegerfamilie Stein stammenden Charlotte Sweceny, eine Kreuzfahrt in die Karibik, die über Mittelamerika nach New York führt. Sollte er tatsächlich mit dem Gedanken an die Emigration gespielt haben, entschließt er sich spätestens jetzt angesichts schlechter wirtschaftlicher und publizistischer Aussichten zur Rückkehr nach Wien. Hier treibt er die Publikation eines Romans über den Untergang staatlicher und gesellschaftlicher Ordnungen, Ein Traum in Rot, voran, bevor er Ende August 1939 einberufen wird, um als Leutnant am Polenfeldzug teilzunehmen. Obwohl er schon am zweiten Tag an der Hand verwundet wird, kehrt er erst zwei Monate später nach Wien zurück.

Nach seiner Verwundung kann Lernet-Holenia vorläufig mit Hilfe von Freunden beim Film, vor allem Emil Jannings, seine militärische Reaktivierung verhindern. Sein Roman über den Polenfeldzug Mars im Widder erscheint 1940/41 in Fortsetzungen in der Berliner Frauenzeitschrift Die Dame. Auch die Buchausgabe ist bereits gedruckt, aber noch nicht ausgeliefert, als sie auf Betreiben des Propagandaministeriums schließlich doch noch verboten wird. Die gedruckte Erstauflage verbrennt 1943/44 bei den Luftangriffen auf Leipzig im dortigen Bücherlager – bis auf ein Exemplar, das schließlich als Druckvorlage für die Nachkriegsausgabe im Verlag Bermann-Fischer dient.

1941 wird der Leutnant schließlich Leiter der Entwicklungsabteilung in der Heeresfilmstelle Berlin (1942 liefert er die Idee für den äußerst erfolgreichen Zarah-Leander-Film Die große Liebe). Hier verkehrt er mit Gottfried Benn und Alfred Kubin und kann sich erstmals über einen längeren Zeitraum einem Roman widmen: 1942 erscheint mit Beide Sizilien sein vielleicht bestes Buch. 1944/45 entkommt er durch gefälschte Atteste der neuerlichen Einberufung und erlebt schließlich das Kriegsende in St. Wolfgang, wo er kurz darauf die Berlinerin Eva Vollbach heiratet.

In den Nachkriegsjahren nimmt vor allem Lernet-Holenias publizistische Tätigkeit zu. Bereits 1945 beschreibt er in der katholisch-konservativen Kulturzeitschrift Turm die Rolle der Literatur nach der überstandenen Katastrophe so:

„In der Tat brauchen wir nur dort fortzusetzen, wo uns die Träume eines Irren unterbrochen haben, in der Tat brauchen wir nicht voraus-, sondern nur zurückzublicken. Um es vollkommen klar zu sagen: wir haben es nicht nötig, mit der Zukunft zu kokettieren und nebulose Projekte zu machen, wir sind, im besten und wertvollsten Verstande, unsere Vergangenheit, wir haben uns nur zu besinnen, daß wir unsere Vergangenheit sind – und sie wird unsere Zukunft werden.“ (Brief an den „Turm“: Gruß des Dichters In: Der Turm 1, 4/5 (November/Dezember 1945), S. 109)

In den folgenden Jahren äußert sich der weiterhin als Schriftsteller Tätige nicht nur zur österreichischen Literatur und zum Theater, sondern beteiligt sich intensiv an den Nachkriegsdebatten um Exil und innere Emigration,¹er engagiert sich auch bei Kampagnen zur Ächtung der Atomwaffe.²

Ab 1954 wird Lernet-Holenia neben Friedrich Torberg und anderen Mitherausgeber der antikommunistischen Zeitschrift Forum, nachdem er zuvor im linksintellektuellen Österreichischen Tagebuch und in der sozialdemokratischen Arbeiter-Zeitung veröffentlicht hatte. An die einstigen Erfolge als Dramatiker kann er nun nicht mehr anknüpfen; es erscheinen aber weiterhin Gedichtbände. Nach einer Auseinandersetzung um den Roman Die Inseln unter dem Winde trennt sich Lernet-Holenia von seinem langjährigen Hausverlag S. Fischer und wechselt schließlich zu Paul Zsolnay.

Bald nach 1945 setzt sich Lernet-Holenia als einer der ersten Autoren in einigen Texten mit dem Dritten Reich auseinander, nicht nur in der Erzählprosa (Der Graf von Saint-Germain, 1948; Der Graf Luna, 1955), sondern auch in der Elegie Germanien (1946), die sich explizit der Schuldfrage annimmt. Ab 1959 publiziert er neben den Romanen auch Collagen und erzählende Prosawerke, die zwischen historischem Roman und populärem historischem Sachbuch changieren. Skandale provoziert er im Alter durch seine Fahrweise (etwa in handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Autofahrern) wie durch seine Texte; Offizierskameraden nehmen ihm den Vorwurf mangelnder Tapferkeit übel, gegen das Haus Habsburg führt er ebenso eine Privatfehde (Die Geheimnisse des Hauses Österreich, 1971) wie gegen die Steuerbehörde (Das Finanzamt, 1955, Das Goldkabinett, 1957), und der boomende Tourismus am Wolfgangsee verdirbt ihm sein dortiges Domizil ebenso wie langhaarige Theaterwissenschaftler sein Logis in der Wiener Hofburg, das er seit 1952 bewohnt (Gedenktafel im Michaelertrakt). Lust an der Provokation prägt offensichtlich seine öffentlichen Äußerungen vom erwähnten Plagiatsskandal der Zwanzigerjahre bis zu seinem Tod.

lernet 1

1969 wird Lernet-Holenia zu Theodor Csokors Nachfolger als Präsident des österreichischen PEN-Clubs gewählt. Zuvor schon hatte er die wichtigsten nationalen Kulturpreise Österreichs (Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich, 1957; Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur, 1961) und der Bundesrepublik Deutschland (Großes Verdienstkreuz) erhalten und war damit zum Staatsdichter avanciert. Das Verhältnis zu Österreich wird dennoch durch Steueraffären und sein Eintreten gegen die Forcierung des Tourismus getrübt. Die Empörung über die Nobelpreisverleihung an den vermeintlichen RAF-Sympathisanten Heinrich Böll bildet 1972 den äußeren Anlass für seinen Rücktritt vom PEN-Amt.1974 erscheint Lernet-Holenias letzter Roman Die Beschwörung, zwei Jahre später, am 3. Juli 1976, stirbt er in Wien. Er liegt in einem Ehrengrab der Stadt Wien auf dem Hietzinger Friedhof begraben.

Dr. Franziska Mayer

Fußnoten:
1) Der Fall Thomas Mann. In: Der Turm 1. Jg., H. 7, Februar 1946, S. 172.
2) Für die Aechtung der Atomwaffe. In: Tagebuch (Wien), 5. Jg., Nr. 9, 29.4.1950, S. 1, sowie Nachruf auf einen Atom-Aufruf. In: Die Weltwoche, Nr. 1307, 28.11.1958.