Ein Traum in Rot
Roman
Zsolnay, Wien, Neuauflage 1997. 188 Seiten. ISBN 3-552-04840-5.
Günther Fischer schreibt in der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel", am 8.6.1997, unter dem Titel "K.u.K. bis ins Mark - Ein phantastischer Roman von Lernet-Holenia wieder aufgelegt":
"...Der vorliegende Roman erschien 1939 zum ersten Mal. Vielleicht liegt es daran, daß dieses relativ kurze Buch, das mit 'Der Mann im Hut' (1937) und 'Mars im Widder' (1941) zu den Hauptwerken Lernet-Holenias im Bereich des Phantastischen gehört, weitgehend unbeachtet blieb. Es ist eine seltsam anrührende Arbeit. Voll elegischer Trauer über den Untergang des russischen Zarenreiches und einem weihevollen, für uns heute ungewohnt hohen Sprachduktus, erzählt es von Rosenthorpe, der nach der Oktoberrevolution auf dem polnischen Gut des Erzählers Chlodowski, eines geflohenen russischen Adeligen, eintrifft. Doch er ist nicht der, der er zu sein scheint: Er ist ein Dämon, ein Teufel, der Antichrist, der von Dschingis-Kahn abstammt. Aber, und hier wird der Roman genial doppelbödig, das Böse, das er verbreitet, erwächst ausschließlich aus seinem Wunsch, Gutes zu tun. Seine Güte erweist sich stets als tödlich, seine Schönheit führt ins Verderben, sein Kuß besiegelt den Untergang. Virtuos spielt Lernet-Holenenia hier mit Versatzstücken unserer Kultur - angefangen von Judas Verräterkuß bis hin zum tödlichen Bruderkuß der Mafia - und stellt doch eindringlich klar: Gut und Böse sind untrennbar miteinander verbunden, die Liebe zum Menschen kann zu Mord und Totschlag führen. Diesen Grundgedanken, der in der gnostischen Vorstellung von der Undenkbarkeit Gottes ohne seinen Widerpart, den Teufel, wurzelt, spricht Chlodowski, der bald unter den Trümmern seines Hofes begraben werden wird, am Ende des Romans aus: 'Denn auch das Böse kommt von Gott, es ist sein Wille, daß es die Welt läutere.'Heute gelesen, erscheint Lernet-Holenias Roman wie ein düsteres Omen, das den unheilvollen Aufstieg Hitlers hellsichtig vorausmeldet. Von grotesker Komik sind darüber hinaus Szenen, in denen Lernet-Holenia das Leben und Überleben der Adligen nach der Revolution schildert: Als Stallknechte, Diener, Köche und Waschmägde arbeitend, schwadronieren sie über vermeintliche Heere und Generäle, die demnächst den Sieg und die Wende herbeiführen werden, das leiseste Gerücht gibt ihnen Anlaß zu abendfüllenden Spekulationen. Bitter läßt einen vor allem die Erkenntnis zurück: Die Geschichte geht unterschiedslos über den einzelnen hinweg, und mit Menschen voll verzweifelter Hoffnung hat ein leibhaftiger Dämon wie Michail Rosenthorpe leichtes Spiel.Alexander Lernet-Holenia schrieb 50 Romane, an Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal orientierte Theaterstücke, Lyrik- und Essaybände. Es ist ein vielschichtiges, meist elegant formuliertes, doch unterschiedlich gewichtiges Oeuvre, das er vorlegte. Und doch: Sein Name ist kaum noch jemandem ein Begriff. Das dürfte in erster Linie an seinen Themen liegen. Der bedeutendere Teil seines Gesamtwerks steht im Zeichen einer elegisch-herrischen Nachfeier der untergegangenen Donaumonarchie. Es ist nicht weiter schwer, in der Trauer über den Verlust ihres Reiches und des Zaren, den Adligen in 'Ein Traum in Rot' zum Ausdruck bringen, Lernet-Holenias eigene Gefühle wiederzuerkennen."...
Günther Fischer schreibt in der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel", am 8.6.1997, unter dem Titel "K.u.K. bis ins Mark - Ein phantastischer Roman von Lernet-Holenia wieder aufgelegt":
"...Der vorliegende Roman erschien 1939 zum ersten Mal. Vielleicht liegt es daran, daß dieses relativ kurze Buch, das mit 'Der Mann im Hut' (1937) und 'Mars im Widder' (1941) zu den Hauptwerken Lernet-Holenias im Bereich des Phantastischen gehört, weitgehend unbeachtet blieb. Es ist eine seltsam anrührende Arbeit. Voll elegischer Trauer über den Untergang des russischen Zarenreiches und einem weihevollen, für uns heute ungewohnt hohen Sprachduktus, erzählt es von Rosenthorpe, der nach der Oktoberrevolution auf dem polnischen Gut des Erzählers Chlodowski, eines geflohenen russischen Adeligen, eintrifft. Doch er ist nicht der, der er zu sein scheint: Er ist ein Dämon, ein Teufel, der Antichrist, der von Dschingis-Kahn abstammt. Aber, und hier wird der Roman genial doppelbödig, das Böse, das er verbreitet, erwächst ausschließlich aus seinem Wunsch, Gutes zu tun. Seine Güte erweist sich stets als tödlich, seine Schönheit führt ins Verderben, sein Kuß besiegelt den Untergang. Virtuos spielt Lernet-Holenenia hier mit Versatzstücken unserer Kultur - angefangen von Judas Verräterkuß bis hin zum tödlichen Bruderkuß der Mafia - und stellt doch eindringlich klar: Gut und Böse sind untrennbar miteinander verbunden, die Liebe zum Menschen kann zu Mord und Totschlag führen. Diesen Grundgedanken, der in der gnostischen Vorstellung von der Undenkbarkeit Gottes ohne seinen Widerpart, den Teufel, wurzelt, spricht Chlodowski, der bald unter den Trümmern seines Hofes begraben werden wird, am Ende des Romans aus: 'Denn auch das Böse kommt von Gott, es ist sein Wille, daß es die Welt läutere.'Heute gelesen, erscheint Lernet-Holenias Roman wie ein düsteres Omen, das den unheilvollen Aufstieg Hitlers hellsichtig vorausmeldet. Von grotesker Komik sind darüber hinaus Szenen, in denen Lernet-Holenia das Leben und Überleben der Adligen nach der Revolution schildert: Als Stallknechte, Diener, Köche und Waschmägde arbeitend, schwadronieren sie über vermeintliche Heere und Generäle, die demnächst den Sieg und die Wende herbeiführen werden, das leiseste Gerücht gibt ihnen Anlaß zu abendfüllenden Spekulationen. Bitter läßt einen vor allem die Erkenntnis zurück: Die Geschichte geht unterschiedslos über den einzelnen hinweg, und mit Menschen voll verzweifelter Hoffnung hat ein leibhaftiger Dämon wie Michail Rosenthorpe leichtes Spiel.Alexander Lernet-Holenia schrieb 50 Romane, an Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal orientierte Theaterstücke, Lyrik- und Essaybände. Es ist ein vielschichtiges, meist elegant formuliertes, doch unterschiedlich gewichtiges Oeuvre, das er vorlegte. Und doch: Sein Name ist kaum noch jemandem ein Begriff. Das dürfte in erster Linie an seinen Themen liegen. Der bedeutendere Teil seines Gesamtwerks steht im Zeichen einer elegisch-herrischen Nachfeier der untergegangenen Donaumonarchie. Es ist nicht weiter schwer, in der Trauer über den Verlust ihres Reiches und des Zaren, den Adligen in 'Ein Traum in Rot' zum Ausdruck bringen, Lernet-Holenias eigene Gefühle wiederzuerkennen."...