Die Standarte
Roman
Rainer Gruenter schreibt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ein Ritter des Absurden. Romane von gestern - heute gelesen, Nr. 198, 28.8.1987, S. 25) zu diesem Werk (Auszug):
"Ist dergleichen noch zu lesen? Ist das nicht fatale Duselei eines knäbischen Feldzeichenkultes, den die geschichtlichen Vorgänge, das Massaker des Regiments Maria Isabella durch das Schwesterregiment Royal Allemand auf den Pontonbrücken vor Belgrad, blutig kompromittierten? Und haben wir nicht mit unserer moralischen Unbefangenheit auch die Bereitschaft, ja die Fähigkeit verloren, nach den Exzessen des Fahnenmißbrauchs jede Art von Fahnenfaszination auch nur historische würdigen zu können?
Der Fähnrich Menis übernimmt die Standarte von seinem gefallenen Vorgänger, dem Fähnrich Graf Heister, als das meuternde Regiment, zusammengeschossen, aufgehört hat zu existieren. Die Standarte hat nur noch ihn, den Fähnrich. Sie wird in dem Augenblick seine Braut, an die ihn sein Fahneneid wie ein Ehegelübde bindet, in dem die im Handstreich gewonnene Resa Lang ihm in der evakuierten Festung Belgrad anbietet, seine Geliebte zu werden. Der Eid, jenseits des Grabes geschworen, hat die Absurdität großer erotischer Passionen, der Passion Rodrigos etwa in Claudels 'Seidenem Schuh'. Doch die Fahnen-Erotik neutralisiert alle irdischen Leidenschaften. Die Liebe zu Resa erlischt nicht, aber sie wird fühllos. Dieser Vorgang vollzieht sich ohne jedes Pathos, ohne jede sentimentale Rhetorik, die auch nur in einer Wendung an hitlerbübische Fahnenlieder erinnern würden."
"Ist dergleichen noch zu lesen? Ist das nicht fatale Duselei eines knäbischen Feldzeichenkultes, den die geschichtlichen Vorgänge, das Massaker des Regiments Maria Isabella durch das Schwesterregiment Royal Allemand auf den Pontonbrücken vor Belgrad, blutig kompromittierten? Und haben wir nicht mit unserer moralischen Unbefangenheit auch die Bereitschaft, ja die Fähigkeit verloren, nach den Exzessen des Fahnenmißbrauchs jede Art von Fahnenfaszination auch nur historische würdigen zu können?
Der Fähnrich Menis übernimmt die Standarte von seinem gefallenen Vorgänger, dem Fähnrich Graf Heister, als das meuternde Regiment, zusammengeschossen, aufgehört hat zu existieren. Die Standarte hat nur noch ihn, den Fähnrich. Sie wird in dem Augenblick seine Braut, an die ihn sein Fahneneid wie ein Ehegelübde bindet, in dem die im Handstreich gewonnene Resa Lang ihm in der evakuierten Festung Belgrad anbietet, seine Geliebte zu werden. Der Eid, jenseits des Grabes geschworen, hat die Absurdität großer erotischer Passionen, der Passion Rodrigos etwa in Claudels 'Seidenem Schuh'. Doch die Fahnen-Erotik neutralisiert alle irdischen Leidenschaften. Die Liebe zu Resa erlischt nicht, aber sie wird fühllos. Dieser Vorgang vollzieht sich ohne jedes Pathos, ohne jede sentimentale Rhetorik, die auch nur in einer Wendung an hitlerbübische Fahnenlieder erinnern würden."