Phantom Empires - The Novels of Alexander Lernet-Holenia
Dassanowsky-Harris, Robert von: Phantom Empires: The Novels of Alexander Lernet-Holenia and the Question of postimperial Austrian Identity. Riverside: Ariadne Press 1996.
Günther Berger schreibt in http://www.blackboard.at/ über dieses Buch:
'Bereits vor dem Jubiläumsjahr des 100. Geburtstages von Alexander Lernet-Holenia (21.10.1897 Wien 3, Reisnerstraße - 3.7.1976 Wien 14, Cumberlandstraße 53) hat Univ.-Prof. Dr. Robert von Dassanowsky eine faszinierende Analyse des Prosawerkes des Dichters vorgelegt. Der neben Dr. Arthur Schnitzler bedeutsamste Poet Österreichs im 20. Jahrhundert begann von Hofmannsthal und Rilke begeistert und geschätzt als Lyriker. Eine erste Aversion gegen zeitgenössisches Literaturschaffen machte sich in seinem Drama 'Alkestis' (1927) bemerkbar. 1930 begann er mit der Prosafassung seines Dramas 'Die nächtliche Hochzeit' (1929) das kommerziell erfolgreiche Genre des Abenteuerromans. Bereits 'Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen' (1931) sind keine Heldengeschichte, sondern trotz des romantischen Polenbildes auch eine Kritik an Militär und deutschem Einfluß. In der an Kleist gemahnenden Novelle 'Ljubas Zobel' (1932) geht es um die Flucht aus dem zusammenbrechenden russischen Zarenreich. Bereits 1933 wurde Alexander Lernet-Holenias Schaffen (außer seiner neoklassizistischen heroischen Lyrik) im 'Börsenblatt für den deutschen Buchhandel' Nr.112 als 'unerwünscht' bezeichnet, ohne daß jedoch seine populären Salonkomödien von deutschen Bühnen verbannt wurden. Sein von Rilkes 'Cornet', Kleist und Kant inspiriertes Meisterwerk 'Die Standarte' (1934) ist nur oberflächlich betrachtet eine abenteuerliche Liebesgeschichte. Symbole wie der von Odin besessene Offizier Hackenberg warnen vor dem immer bedrohlicheren Einfluß des Deutschen Reiches. Die Fiktion der Standartenverbrennung in Schönbrunn (eine Parodie der 'Götterdämmerung') steht für den Untergang des (alten) Österreich. Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschnigg, der den Roman 1939 während seiner Gestapohaft las, sprach von einer 'Totenmesse'. Unterschiedlich zu den meisten Schriftstellern hat sich Lernet-Holenia niemals politisch engagiert oder gar exponiert. Sein Schaffen war zu kosmopolitisch und beklagte im Gegensatz zu den Ergüssen der Staatsdichter Traditionsverlust sowie Verfall. Die von Beer-Hofmanns 'Tod Georgs' und Hofmannsthals 'Reitergeschichten' inspirierte Novelle 'Der Baron Bagge' (1936) weist neben zahlreichen Lieblingsmotiven Lernet-Holenias (wie Identitätssuche, Genealogie, Zwischenreich zwischen Leben und Tod, Mystifizierung von Frauen, Metaphysik) auch den Ausdruck der Isolation von der Gegenwart auf. In 'Die Auferstehung des Maltravers' (1936) macht ein Repräsentant der alten Gesellschaft Österreichs einen aus den untersten Schichten kommenden arischen Boxer salonfähig, ehe er am Lido von Venedig stirbt. (Italien war bis zum Beitritt zum Deutsch-Japanischen Anti-Comintern Pakt 1937 neben Jugoslawien einziger Garant für Österreichs Unabhängigkeit). Im Roman 'Der Mann im Hut' (1937) kommen die Andeutung des aus dem Westen kommenden Gewitters und das Nibelungengrab vor, in 'Strahlenheim' (1938) ertrinkt ausgerechnet der vor dem Krieg warnende Amerikaner im Wolfgangsee und selbst in dem in Asien spielenden 'Traum in Rot' (1939) gibt es zeitkritische Anspielungen. Trotzdem wurde Lernet-Holenia nach seiner Verwundung am zweiten Tag des Polenfeldzuges (wobei er nicht unempfänglich für Militär und Orden war) durch Intervention des Ullstein-Verlages als Chefdramaturg zur Heeresfilmstelle Berlin eingezogen, wo ihm jedoch sofort verboten wurde, Filme politischen Inhalts zu schreiben. Obgleich er einer der 34 vom Arbeitsdienst freizustellenden österreichischen Autoren war, schrieb er vom 15.12.1939 - 15.2.1940 'Mars im Widder', der als einziger Widerstandsroman Österreichs während des Krieges in der Zeitschrift 'Dame' publiziert wurde. Erst die vom S.Fischer Verlag vorbereitete Buchausgabe wurde wegen der Schilderung des Polenfeldzuges, der tapferen polnischen Gegenwehr und der österreichischen Widerstandsgruppe 1941 vom Propagandaministerium verboten. Seine Stücke wurden nicht mehr gespielt. Der 1942 entstandene Roman 'Beide Sizilien' ist zwar sein poetischster aber kaum weniger subversiv. Bereits die Unterteilung in 7 Kapiteln (nach den letzten sechs überlebenden Offizieren und dem Korporal des ehemaligen Dragonerregiments benannt) mit je drei Abschnitten erinnert an die nichtgermanische Strophenform der Terrine. (Das bereits 1924 entstandene Kapitel 'Silverstolpe' enthält das Motiv der Regimentsfahne am Sarg). Mit dem Gedicht 'Germanien' und der Novelle 'Der 20. Juli' begann Lernet-Holenia 1946 mit der Vergangenheitsabrechnung. Im Roman 'Der Graf von Saint-Germain' (1948), einer Parodie auf Künstlernovellen der Romantik, erfolgt die Dekonstruktion der historischen Kausalität durch geheime metaphysische Kräfte. Ähnlich wie Thomas Manns Gustav Aschenbach zulange die Abreise aus dem Cholera verseuchten Venedig hinauszögert, bleibt der anatoleske Philipp Branis zu lange im politisch verpesteten Wien. 'Der Graf Luna' (1955, nach Hilde Spiel sein letztes Meisterwerk) ist die virtuose Schilderung eines paranoiden Mörders, mystifizierter Polen aber auch der Xenophobie der Nachkriegszeit. Außerdem setzt sich das Buch laut des Autors eigener Aussage mit den politischen und sozialen Schwächen Österreichs auseinander, um anzudeuten, 'daß auch ein vernünftiger Bewohner eines Narrenhauses auf die Dauer nicht vernünftig bleiben kann.' Bei seinen folgenden Romanen nahm die Handlung zugunsten seitenlanger lexikalischer, genealogischen Exkurse und zynischer Kommentare ab. Um Steuerrückstände zu begleichen schrieb er 'Das Finanzamt: Aufzeichnungen eines Geschädigten' (1957) und 'Das Goldkabinett' (1957) Satiren auf ihm verhaßte Bürokratie und Neureiche. In 'Die vertauschten Briefe' (1958) erinnerte er dann, daß nicht Geburt, sondern nur noblesse oblige wahre Aristokratie bedeuten. Lediglich das Erzhaus und der internationale Adel waren ihm Erinnerung an den einstigen zentraleuropäischen Kulturstaat. Der szennariohafte Roman 'Die Hexen' (1969) demonstriert Alexander Lernet-Holenias politische und literarische Isolation. Neben der Manipulation der Geschichte (Verkauf von Juwelen aus der Schatzkammer) fällt der berechnend-hemmungslose Frauentyp der James Bond-Ära auf."
Günther Berger schreibt in http://www.blackboard.at/ über dieses Buch:
'Bereits vor dem Jubiläumsjahr des 100. Geburtstages von Alexander Lernet-Holenia (21.10.1897 Wien 3, Reisnerstraße - 3.7.1976 Wien 14, Cumberlandstraße 53) hat Univ.-Prof. Dr. Robert von Dassanowsky eine faszinierende Analyse des Prosawerkes des Dichters vorgelegt. Der neben Dr. Arthur Schnitzler bedeutsamste Poet Österreichs im 20. Jahrhundert begann von Hofmannsthal und Rilke begeistert und geschätzt als Lyriker. Eine erste Aversion gegen zeitgenössisches Literaturschaffen machte sich in seinem Drama 'Alkestis' (1927) bemerkbar. 1930 begann er mit der Prosafassung seines Dramas 'Die nächtliche Hochzeit' (1929) das kommerziell erfolgreiche Genre des Abenteuerromans. Bereits 'Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen' (1931) sind keine Heldengeschichte, sondern trotz des romantischen Polenbildes auch eine Kritik an Militär und deutschem Einfluß. In der an Kleist gemahnenden Novelle 'Ljubas Zobel' (1932) geht es um die Flucht aus dem zusammenbrechenden russischen Zarenreich. Bereits 1933 wurde Alexander Lernet-Holenias Schaffen (außer seiner neoklassizistischen heroischen Lyrik) im 'Börsenblatt für den deutschen Buchhandel' Nr.112 als 'unerwünscht' bezeichnet, ohne daß jedoch seine populären Salonkomödien von deutschen Bühnen verbannt wurden. Sein von Rilkes 'Cornet', Kleist und Kant inspiriertes Meisterwerk 'Die Standarte' (1934) ist nur oberflächlich betrachtet eine abenteuerliche Liebesgeschichte. Symbole wie der von Odin besessene Offizier Hackenberg warnen vor dem immer bedrohlicheren Einfluß des Deutschen Reiches. Die Fiktion der Standartenverbrennung in Schönbrunn (eine Parodie der 'Götterdämmerung') steht für den Untergang des (alten) Österreich. Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschnigg, der den Roman 1939 während seiner Gestapohaft las, sprach von einer 'Totenmesse'. Unterschiedlich zu den meisten Schriftstellern hat sich Lernet-Holenia niemals politisch engagiert oder gar exponiert. Sein Schaffen war zu kosmopolitisch und beklagte im Gegensatz zu den Ergüssen der Staatsdichter Traditionsverlust sowie Verfall. Die von Beer-Hofmanns 'Tod Georgs' und Hofmannsthals 'Reitergeschichten' inspirierte Novelle 'Der Baron Bagge' (1936) weist neben zahlreichen Lieblingsmotiven Lernet-Holenias (wie Identitätssuche, Genealogie, Zwischenreich zwischen Leben und Tod, Mystifizierung von Frauen, Metaphysik) auch den Ausdruck der Isolation von der Gegenwart auf. In 'Die Auferstehung des Maltravers' (1936) macht ein Repräsentant der alten Gesellschaft Österreichs einen aus den untersten Schichten kommenden arischen Boxer salonfähig, ehe er am Lido von Venedig stirbt. (Italien war bis zum Beitritt zum Deutsch-Japanischen Anti-Comintern Pakt 1937 neben Jugoslawien einziger Garant für Österreichs Unabhängigkeit). Im Roman 'Der Mann im Hut' (1937) kommen die Andeutung des aus dem Westen kommenden Gewitters und das Nibelungengrab vor, in 'Strahlenheim' (1938) ertrinkt ausgerechnet der vor dem Krieg warnende Amerikaner im Wolfgangsee und selbst in dem in Asien spielenden 'Traum in Rot' (1939) gibt es zeitkritische Anspielungen. Trotzdem wurde Lernet-Holenia nach seiner Verwundung am zweiten Tag des Polenfeldzuges (wobei er nicht unempfänglich für Militär und Orden war) durch Intervention des Ullstein-Verlages als Chefdramaturg zur Heeresfilmstelle Berlin eingezogen, wo ihm jedoch sofort verboten wurde, Filme politischen Inhalts zu schreiben. Obgleich er einer der 34 vom Arbeitsdienst freizustellenden österreichischen Autoren war, schrieb er vom 15.12.1939 - 15.2.1940 'Mars im Widder', der als einziger Widerstandsroman Österreichs während des Krieges in der Zeitschrift 'Dame' publiziert wurde. Erst die vom S.Fischer Verlag vorbereitete Buchausgabe wurde wegen der Schilderung des Polenfeldzuges, der tapferen polnischen Gegenwehr und der österreichischen Widerstandsgruppe 1941 vom Propagandaministerium verboten. Seine Stücke wurden nicht mehr gespielt. Der 1942 entstandene Roman 'Beide Sizilien' ist zwar sein poetischster aber kaum weniger subversiv. Bereits die Unterteilung in 7 Kapiteln (nach den letzten sechs überlebenden Offizieren und dem Korporal des ehemaligen Dragonerregiments benannt) mit je drei Abschnitten erinnert an die nichtgermanische Strophenform der Terrine. (Das bereits 1924 entstandene Kapitel 'Silverstolpe' enthält das Motiv der Regimentsfahne am Sarg). Mit dem Gedicht 'Germanien' und der Novelle 'Der 20. Juli' begann Lernet-Holenia 1946 mit der Vergangenheitsabrechnung. Im Roman 'Der Graf von Saint-Germain' (1948), einer Parodie auf Künstlernovellen der Romantik, erfolgt die Dekonstruktion der historischen Kausalität durch geheime metaphysische Kräfte. Ähnlich wie Thomas Manns Gustav Aschenbach zulange die Abreise aus dem Cholera verseuchten Venedig hinauszögert, bleibt der anatoleske Philipp Branis zu lange im politisch verpesteten Wien. 'Der Graf Luna' (1955, nach Hilde Spiel sein letztes Meisterwerk) ist die virtuose Schilderung eines paranoiden Mörders, mystifizierter Polen aber auch der Xenophobie der Nachkriegszeit. Außerdem setzt sich das Buch laut des Autors eigener Aussage mit den politischen und sozialen Schwächen Österreichs auseinander, um anzudeuten, 'daß auch ein vernünftiger Bewohner eines Narrenhauses auf die Dauer nicht vernünftig bleiben kann.' Bei seinen folgenden Romanen nahm die Handlung zugunsten seitenlanger lexikalischer, genealogischen Exkurse und zynischer Kommentare ab. Um Steuerrückstände zu begleichen schrieb er 'Das Finanzamt: Aufzeichnungen eines Geschädigten' (1957) und 'Das Goldkabinett' (1957) Satiren auf ihm verhaßte Bürokratie und Neureiche. In 'Die vertauschten Briefe' (1958) erinnerte er dann, daß nicht Geburt, sondern nur noblesse oblige wahre Aristokratie bedeuten. Lediglich das Erzhaus und der internationale Adel waren ihm Erinnerung an den einstigen zentraleuropäischen Kulturstaat. Der szennariohafte Roman 'Die Hexen' (1969) demonstriert Alexander Lernet-Holenias politische und literarische Isolation. Neben der Manipulation der Geschichte (Verkauf von Juwelen aus der Schatzkammer) fällt der berechnend-hemmungslose Frauentyp der James Bond-Ära auf."