Stefan Zweig über "Baron Bagge"
Stefan Zweig an Alexander Lernet-Holenia (Wien, 1936)
Lieber Lernet, inmitten der vielfachen Ärgernisse, mit denen die Zeit mich beschenkt, muss ich einer seltenen Freude besonders gedenken. Ihr "Baron Bagge" ist ein Meisterwerk! Wie hier Traum und Wirklichkeit randlos ineinandergleiten und eine Sphäre visionärer Helligkeit geschaffen ist, eine aus Fieber und erregtem Blut bildnerisch gefärbte Fülle, das ist geradezu magisch: Sie haben aus einem höchsten Stadium der Inspiration, wie es Ihnen sonst nur im Gedicht gelungen ist, diese Novelle geschrieben, der ich an prosaischer Meisterschaft nur Hofmannsthals Andreas zu vergleichen weiss. Da ich Sie, wie Sie wissen, freundschaftlich und menschlich so nahe empfinde, war es mir eine besondere Genugtuung, dass Ihnen und gerade Ihnen ein so makelloses chef d'ouevre gelungen ist, in dem jedes Wort und jeder Satz mit schwebender Leichtigkeit an seiner Stelle steht: wirklich, Sie haben diese Novelle, diese unvergessbare, im Zustand der Gnade geschrieben.
Mich treibt die Zeit gehörig um, wahrscheinlich gehe ich über den Sommer nach Brasilien; wie gerne hätte Ihnen noch zuvor die Hand gedrückt!
Herzlichst Ihr
Stefan Zweig
Aus: zweigheft 21 (2019), hrsg. vom Stefan Zweig Zentrum Salzburg, S. 28.
Stefan Zweig an Richard Strauss (12. April 1935)
Ist Ihnen von den gegenwärtigen Dichtern Alexander Lernet-Holenia vertraut? Er schiene mir eigentlich der Gegebene für eine Dichtung hohen Stiles: sein Saul, seine Alkestis sind nach Hofmannsthal das Reinste, was wir neben Carossa in der deutschen Dichtung haben. Ich sehe ihn in den nächsten Tagen und möchte ihm nahelegen, sich doch einmal mit einem Stoff an Sie zu wenden. Das wäre ein Glücksfall besonderer Art für Sie, wenn dieser Nobelste unserer dramatischen Dichter (der auch sehr viel Sinn für das Scurrile hat) Ihnen etwas schaffen könnte.